Haushaltsrede Siegburg 2023, Raymund Schoen

KOMMUNEN IN DER ZANGE - Haushaltsrede vom 15. Juni 2023 (Es gilt das gesprochene Wort)

Jahrzehntelang sinkende Finanzierungen aus dem Bund durch Umverteilung von unten nach oben:
Steuersenkung für die Obereinkommensklasse, Leistungs- und Lohnsenkung für Geringverdiener (kaufkraftbereinigt rund – 40 %) und Arbeitsplatzlose. Die Schröder- und Fischerschen Umverteilungen haben allein Siegburg bis 2016 60 Mio € gekostet. Ungefähr soviel wie 2016 die Kassenkreditsumme ausmachte. Die Aussetzung der Vermögenssteuer 1998 macht es nicht besser.
Man kann nur hoffen, dass sie mit der Einführung der neuen Einheitswerte, die ja gerade läuft, wieder zu ihrer Erhebung kommt. Dann würde man überhaupt erst mal wieder sehen, wie sich die Vermögen entwickelt haben. Seit 1998 fehlen dafür ja die Daten, mangels Erhebung.
So fehlen schon seit Jahrzehnten die Mittel für die Unterhaltung und Instandsetzung, wie am am Rathaus und anderen Gebäuden sieht. Als dessen Folgen steigen wieder die Neubaukosten und damit die Schulden.
Gleichzeitig haben wir steigende Leistungsanforderungen: Kitas sollen für alle (also auch Millionäre) kostenfrei sein. Straßenreparatur soll nicht mehr von den Nutzern/Anliegern bezahlt werden, sondern aus Landessteuermitteln. Die kommen woher? - Das Land hat nur die Grunderwerbssteuer als eigene Finanzquelle / Klimaschutz wurde jahrelang vertändelt (vor Ort: bis heute kein funktionierendes Energiesparmanagement in Siegburg). Straßen sollen immer breiter werden, die Zahl der Parkplätze steigen und möglichst umsonst sein...

Die öffentliche Verarmung und die private Bereicherung wird eben auch da sichtbar.
Gleichzeitig soll (jetzt) der Klimawandel gebremst werden und die Gemeinde klimawandelbelastbar (Starkregen, Hitze) umgebaut werden.
Finanzielle Ungerechtigkeiten durch Hartz IV und Co sollen kommunal aufgefangen werden (Kosten der Unterbringung, auch durch die explodierenden Energiepreise, mit denen wir alle Öl- und Gaskonzerne und die französischen Atomkraftwerke „subventionieren“), wodurch die Kreisumlage wieder ansteigt. Wir sollen als Kommune Gebühren für Schwimmbäder, Kultur, Kanalisation, Schulen, Schulessen, Freizeit etc kostengünstig halten, weil es ja so viele Arme gibt.
Aber die wohlhabenden Porschefahrer der FDP und Privatflieger der CDU schützen ihre Klientel selbst vor dem ersten Cent Steuergerechtigkeit.
Somit entsteht eine immer größere Abhängigkeit von den verbleibenden Einnahmequellen der Stadt wie Grundsteuer und Gewerbesteuer, wobei letztere ja gerade hier ihre „Flüchtigkeit“ durch einen Firmensitzwechsel der Fa DOHLE nach Bonn belegt. Wer hier also, wie die SBU, Grundsteuergeschenke machen will, soll erst mal ausrechnen was uns der Dohleumzug kostet. Jetzt bleibt uns ein Haupt-Steuerzahler, und wenn der.... - dann „Prost Mahlzeit“.
Und von der lokalen Seite kommt dann eine 60 jährige kommunalpolitische Überheblichkeit dazu (Siegburg als „Leuchtturm“ zwischen Bonn und Köln), die mit vielen Neubauten glänzt (Bibliothek, Tauchturm und Hotel, überdimensionierter Bahnhof (12 Mio) , Rhein-Sieg-Halle und jetzt Expansion zum Rhein-Sieg-Forum (11 Mio), während der Substanzerhalt (Straßen) jahrelang auf der Strecke blieb.
Und dazwischen bleibt dann – spätestens 2026 – wieder nur lokal Gebühren und Grundsteuer anzuheben, wenn in Berlin nicht endlich mal die gelbe Porschefahrerfraktion von der Reichensteuerbremse runterkommt. Da stehen sie gut drauf, auf der Autobahn lieber auf dem Gasfuß.
Aber Sparmaßnahmen, wie sie jetzt auch von CDU und GRÜNEN aus dem Hut gezaubert werden, sind bei steigenden Anforderungen (und Ansprüchen (Kitas gebührenfrei, Straßensanierung gebührenfrei, Elektroinfrastruktur, )) an die kommunalen Leistungen illusorisch und unangemessen. Weil sie gerade den Erhalt der Infrastruktur und soziale Gerechtigkeit verhindern.

Es ist doch Unsinn, benötigte Sozialarbeit an den Schulen, gegen Sicherheit und Instandhaltung in den städtischen Gebäuden auszuspielen (Elektroinfrastruktur erhalten). Und wen bedienen CDU und GRÜNE vor Ort, wenn sie das Ordnungsamt eindampfen? Verkehrsüberwachung hat bisher immer noch Geld eingebracht, mit dem wenigstens ein paar Straßen repariert werden konnten. Und wie teuer unterlassene Unterhaltung, Instandsetzung und Vorbeugung wurde, hat uns doch die
Tiefgarage Holzgasse mit ihrem Millionen Sanierungsbedarf gezeigt, die durch vorbeugende Schutzmaßnahmen (Abdichtung des Betons von oben gegen eindringendes Streusalzwasser unserer geliebten Automobile) vermeidbar gewesen wäre. Da hat man beim Parkhaus Rhein-Sieg-Halle gerade noch mal die Kurve bekommen, bevor Substanzschäden auftraten (hoffe ich zumindest).

Fazit: Aus dieser Zange kommen die Kommunen und damit auch Siegburg nur raus, wenn die Einnahmeseite auf oberster (Bundes)Ebene verbessert wird. Also, reichen Sie alle zügig Ihren Grundsteuer-Neubemessungsbescheid ein. Dann bringt das nicht mehr Grundsteuer, da aufkommensneutral, aber mehr Vermögenssteuer, weil die endlich wieder erhoben werden kann. Und davon profitiert auch Siegburg. Vielleicht kann dann 2026 auf eine Grundsteuererhöhung (über
Senkungsphantantasien kann man nur lachen) verzichtet werden. Und selbstverständlich muss Erbschaftssteuer und Spitzeneinkommenssteuersatz überdacht werden, von der Steuerhinterziehung ganz zu schweigern. Da werden wir in unseren CUM-EX-Prozessen ab nächstes Jahr wohl noch einiges zu hören bekommen. Vielleicht erhöht Bayern auch mal die Zahl seiner Steuerfahnder und überlässt das nicht nur NRW!!!
Ein letztes zur Lage der Kommunalfinanzen in NRW allgemein. Das 2008 eingeführte Konzept der Neuen Kommunalen Finanzierung hat uns zwar eine größere Transparenz beim Substanzverzehr des Vermögens der Kommunen gebracht, aber es gibt ihnen keine echte Finanzierung an die Hand.
NUR die VERSCHULDUNGSERLAUBNISSE steigen: Eben SONDERVERMÖGEN auf Pump - überall.

Im übrigen können wir bei einem Blick in die Siegburger Geschichte sicher froh sein, dass wir überhaupt Gewerbesteuereinnahmen haben, im Gegensatz zur Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als der größte Betriebs Siegburg, die königlichen Waffenschmieden mit bis zu 30.000 Beschäftigten, bis 1913, keinerlei Gewerbesteuer bezahlten. Und als es dann 1913 eine erste Zahlung gab, wurden die vom Zentrum dazu verwendet, den Michaelsberg dem Land Preussen abzukaufen, und an die
Benedektinermönche zu verschenken. Im Leuchtturmbauen waren „die Schwarzen“ halt immer groß, im Finanzieren eher weniger.

Und bis heute liegt uns die Altlast des Königlichen Feuerwerklaboratoriums auf und im Siegburger Boden und Grundwasser. Also schon jahrzehntelang keine Steuer bezahlt, aber eine unsanierte Altlast im 100 Millionen Sanierungsbedarfsbereich hinterlassen. Das zum Thema Rüstung und Nachhaltigkeit.

Dafür entschädigen auch nicht schöne Musikkorps-Konzerte und Zapfenstreiche mit romantischem Fackelschein...

Zum Abschluss: Wir werden dieses Jahr keine haushaltswirksamen Anträge stellen, da wir dafür im Moment keine finanzielle Grundlage sehen. Die begonnen Projekte und die Unsicherheit der Zukunft bieten dafür keine Grundlage.